MONOLITH - Zur Steinskulptur - Peter Paszkiewicz

Künstlerische Ambition zielt nicht so sehr auf Wissen, eher auf eine intuitive Annäherung an ein Gegenüber, dem, das man zu verstehen versucht. Gegenüber einem Stein ist das vorerst eine erstaunliche Strategie. Er ist kein Mensch, aber man selbst ist einer. Daraus resultiert unser Verhalten. Dem Stein geschieht Humanisierung. Die Skulptur ist ein Ding, das intuitive Intelligenz, Stein und Hand zur Ursache ihres Entstehens hat. Es verknüpft sich da Materie mit Intelligenz. Ein sich mitteilendes geistiges Ding entsteht. Ein erkenntnisorientierter Vorgang.

Wir sind neugierige Wesen. Skulpturale Arbeit besteht darin, dass man sich über Vermutung und Wahrscheinlichkeit einem Gegenüber annähert, über Faszination ohnehin. Intuitives Herangehen ist nicht irgendwie, es geht nicht weniger deutlich vor als rationale Denkweise, wenn auch auf einer anderen Ebene. Das Spielfeld ist anders gewichtet. Priorität ist das Tun.

 

Aus einer Konstellation, die zuvor noch nie so war, definiert sich natürlich, was es zuvor nicht gab, wofür es keine Erfahrung gibt. Das Ding, der Stein, den man bearbeitet und verändert, ist wirklich. Was man an der Wirklichkeit tut, hinterlässt Spuren, die lesbar sind, die das Geschehnis dokumentieren. Man stellt die Frage, was wirklich ist und was es nicht ist.

 

Das Tatsächliche das ist, ist von Belang, nicht das Reden über das Tatsächliche. Beugt man es doch schon, indem man es linear ordnet. Man redet es in eine Unfreiheit, in der man es zu verstehen meint. Man bewegt sich in unwegsamer Landschaft, muss entscheiden ohne Rahmen, auf Vermutung. Wir sind vermutend Vorgehende, sind wir doch in eine Welt geboren, die uns weitgehend unbekannt bleibt. Die Kluft zwischen Sprache und dreidimensionaler Ordnung wird augenfälliger, bemerkbarer und letztlich unweigerlich. Wir verrechnen Gesprochenes (sprachlich Gedachtes) eins zu eins in Wirklichkeit. Es dauert, den inkompatiblen Unterschied zu bemerken. Man erlebt das Nichtübereinstimmen von Sprache und Wirklichem, dem, was Sprache meint, was man nur tun kann. Im fürsorglichen Umgang mit einem Gegen-über untersucht man sein Verhältnis. Tut man, was bereits geschehen ist, ist dieses Tun überflüssig, es geht darum, das zu tun, was noch nicht getan ist, was es noch nicht gibt, was bislang nicht denkbar war. Es geht um Kreativität. Skulptur entsteht jeweils anders, aus der sich ändernden Bedingung heraus.

 

Das Jetzt ist eine Konstellation, die es so niemals zuvor gab. Wie also gestaltet man eine Skulptur, die im Jetzt entsteht?

Sie hat kein Beispiel. Sich darauf einzulassen, stellt sich als Risiko dar.  Für Zuversichtliche ist es eine Chance, in der Tat ist es eine Unvermeidbarkeit. Ein Geschehnis ist gescheitert, wenn es keine Klarheit dokumentiert. Geschehnis meint hier Skulptur in ihrer Ordnung. Man muss sich mindestens drei räumliche Vorgaben gleichzeitig vorstellen können. Skulptur ist sonst schwerlich zu erarbeiten. Dreidimensionales Erleben ist eine Voraussetzung. Man nähert sich so über das Erleben, nicht über die lineare Deutung dessen.  

 

Zu meinen, alles Künstlerische komme aus einem selbst, ist eine seltsame Idee. Es rührt wohl eher aus der Konfrontation mit dem um uns, aus der Verbindung zwischen dem und uns. Jeder Tag unterscheidet sich vom vergangenen in seinem Geschehen. Insofern ist auch das Ergebnis unseres Tuns täglich ein anderes. Eines - das ist zu hoffen - das ein wenig weiter reicht. In unserem Verstehen dessen, was um uns ist und was wir in diesem sind. So erarbeitet man ein Verständnismodell.

 

Die Hand ist der Schlüssel. Wenn man das Tun verlässt, hört die tatsächliche Auseinandersetzung mit Skulptur auf. Die Hand ist ein Korrektiv. Die Auseinandersetzung mit Wirklichkeit ist strikt. Sie braucht die Hand als Instrument der Veränderung. Sie ist Ordnung mit geringen Abweichungen. Wie man die weißen Adern des Malta Granits/ Gneis mit der Formgebung vereinbart, ist von Block zu Block ein anderes Vorhaben. Man wird vertraut damit, es ergibt sich aber keine Erfahrung daraus. Jeder Stein ist ein anderes Anliegen, erfordert eine andere skulpturale Lösung.

 

Das Neue muss das Bestehende nicht annullieren. Es besteht dazu keinerlei Notwendigkeit. Was wir intuitiv aus dem Stand tun, beschäftigt uns nachhaltig, wir setzen es in ein Verhältnis zum Umliegenden, messen es insofern.

 

Es geht zunehmend darum, den Raum zum Schweben zu bringen, auch die Masse ist Raum. Es geht um den gravitativen Raum, den dynamischen. Gravitation bewirkt die Kooperation, das schließt die Skulptur ein. Wechselwirkung wird so plausibel. Die Skulptur besteht als ausgewogenes Gefüge, in dem sich jedes nach allem anderen im Sinne einer Wechselwirkung verhält. Man kann das als ein Ganzes sehen. Dies mit einer Einschränkung, wir können uns nicht sehr viel gleichzeitig vorstellen. Deshalb die Auseinandersetzung in einem vorstellbaren Rahmen. Dass dies mit herkömmlicher Sicht von Skulpturen wenig zu tun hat, ist deutlich.

 

Am Jetzt scheitern alle Vorbilder. Es geht um ein Phänomen, nicht um dessen herkömmliche Verwendung. Die Auseinandersetzung mit Gravitation, die Eigenschaft jeder Masse ist, ist eine Verbindlichkeit. Vernachlässigt man das, erlebt man Materie als Form, was eine Eigenschaft ist, und danach erst als Masse, die Gravitation emittiert. Wir sind von Gegenständen umgeben. Bei Skulptur ist das Verhältnis zu Materie haptisch und emotional. Man kann sich dem kaum entziehen. Dem Stein ist man verpflichtet ab dem Augenblick, in dem man in auf der Halde wahrnahm. Er ist Teil der Landschaft, aus der er gebrochen wurde. Man versucht, mit ihm fürsorglich umzugehen; auch wegen der Einmaligkeit es Teiles aus einem größeren Ganzen. Er ist bereits ein Unikat. Das fordert dem Bildhauer ab, etwas zu erarbeiten, das es bislang nicht gab. Als Unikat wohl, nicht als Skulptur. Die kulturelle Position, die wir einnehmen, verpflichtet uns. Der Anspruch ist abzuarbeiten.

 

Konkav und konvex, diese Zwillinge, sind als Vokabular erforderlich. Ganz nahe ist einem die Materie, die Hand und intuitive Intelligenz. Man tut und die Hände eilen der Vorstellung voraus. Ohne Haptik könnten wir nicht begreifen.

 

Auf der Fläche zu arbeiten erfüllt eine Beschreibbarkeit.

 

Man arbeitet an der Masse des Steins, die ebenso Raum ist. Ein vielfältiges Räumliches, das man vor Augen hat, ist die Hand, so vielfältig in ihrer Bewegung, dass diese nicht gleichzeitig von unserer Wahrnehmung erfassbar ist. Wir stoßen damit an unser Limit. Natürlich weiß man, dass die vielfältige Bewegung möglich ist, über Wissen ist Skulptur aber nicht zu erarbeiten. Die Hand begreift haptisch. Zwischen Wissen und Tun ist ein gravierender Unterschied. Die Hand ist der Schlüssel zum Verstehen dessen, was da geschieht. Es ist im Skulpturalen nicht so, dass man zuerst plant und danach ausführt. Das Entstehen selbst ist das Abenteuer, dessen Ausgang man nicht kennt. Es wäre doch absurd, sich beim Beginnen des Ziels schon bewusst zu sein, wozu dann noch. So funktioniert das Erkunden unbekannten Areals nicht. Man geht wach ins Ungewisse, nimmt wahr, was rundum ist, die Intuition reagiert. An der Skulptur ist das ablesbar, sie ist ein Tatsachenbericht.

 

Zu meinen, das Tun wäre in Worte zu übertragen, die das Geschehen deutlich machen, ist nicht erfüllbar. Die Gesetzmäßigkeiten von Sprache und Tun sind einander zu entfernt. Das Tun ist ans Tatsächliche gebunden  und an den dreidimensionalen Raum. Sprache geht linear vor, ist insofern nicht kompatibel. Man kann Skulptur nicht sagen. Das wird zwar immer wieder versucht. zeitigt aber enormen Übersetzungsverlust. Es bleibt nur Wissen übrig, oder Information, kein Erleben. Es ist zu überlegen, worum es geht. Wir sind auf unser Vermuten angewiesen. So gesehen sollten wir unsere Ordnung ständig weiter entwickeln, unentwegt unser Wahrnehmen der Wirklichkeit neu formulieren.

 

10.1. 2022                                                                                                                                                                                               Peter Paszkiewicz

 

Zur Steinskulptur

Man arbeitet mit den Relikten einer Katastrophe, einer Sprengung, nichts ist von Natur aus gebrochen. Wie humanisiert man eine Katastrophe, wenn man nicht ohnehin davon ausgeht, dass sie humane Ursachen hat? Was ist, ist Faktum und Ausgangssituation.

 

Was ist, ist das Maß für Neues.

 

Skulptur kann nicht nur Folge einer Katastrophe sein, was ist sie konstruktiv?

 

Was ist sie im Zusammenhang?

 

Was ist sie jetzt?

 

Was folgt daraus?

 

Das Jetzt war stets Ausgangssituation einer Entwicklung, insofern eine konstruktive Situation.

 

Also wie ist es?

 

Was ist zu tun?

 

Man kann mit dem Stein kooperieren, an ihm eine neue Tatsächlichkeit entwickeln, indem man tut. Es geht um das Tun, um ein Begreifen, nichts sonst. Man soll sich fürsorglich annehmen um die Steine, sie sind das Medium. Wie weit ahnt man, was Skulptur ist. Sie ist Ordnung, Raum und Masse. Die Hand ist der vitale Faktor, den der Mensch beisteuert, was er zur Frage formuliert. Nun, was ist Skulptur, was ist Raum und Masse. Es sind Fragen, die uns beschäftigen. Nicht notwendig ist eine Antwort auf die Frage, sondern vielmehr eine auf das Geschehen. Es geht um das Geschehen.

 

In der Zeit etwas bewegen, am Medium Stein eine morphologische Kausalität klären, etwas Begriffenes, also ein Tun der Hände deutlich machen. Die Skulptur ist ein Bericht, ablesbare intuitive Intelligenz. Sie inkludiert nicht den Beweis, wie das bei wissenschaftlichen Definitionen der Fall ist, sie ist nicht wiederholbar. Skulptur ist die Möglichkeit einer Definition , einer Vermutung, eine Wahrscheinlichkeit. Das Ergebnis ein Unikat. Stein, Hand und intuitive Intelligenz. Skulptur ist keineswegs irgendwie ideologisch oder esoterisch gemeint. Das wäre wie eine Antwort ohne vorherige Frage. Was gemeint ist, ist eine Frage, die keiner Antwort bedarf. Man baut Fragengebäude, die ohne Worte auskommen. Jedes Geschehen ändert den Tatbestand. Das Tatsächliche (die Sache, die man tut) ist maßgeblich. Man kann Skulptur nur tun, sie ist kaum sagbar, sie existiert, indem sie erlebbar ist. Existiert so gesehen außerhalb der Sagbarkeit. Sprache ist Metapher, sie weist nur hin. Der Qualitätspegel liegt auf der Ebene intuitiver Intelligenz. Um richtig oder falsch geht es dabei nicht.

 

An experimenteller Musik, an wissenschaftlicher Forschung, ebenso an experimenteller Steinskulptur ist Gegenwart ablesbar, ob man dies will oder nicht. Es ist vielleicht klüger, wenn man will, wenn man sich auf das Risiko einlässt und auf das Jetzt, das noch keiner Erfahrung unterliegt.

 

8. November 2021                                                                                                                                                                 Peter Paszkiewicz

 

Vor dem Stein

Bemerken und berücksichtigen dessen was ist, dessen das nicht ist.

Wie ist,  was nicht ist?

Wie sehr ist es Bedingung dessen das ist?

Versucht man, Fragen über das Tun zu klären, kommt man nicht zu linearen Antworten , wohl aber zu einem Begreifen.

 

Wien, 18. 03. 2022                                                                                                                                                                Peter Paszkiewicz